Aus The Long View (Versicherungsmonitor) vom 26. Oktober 2023: Jüngst wurde das Ergebnis einer Digitalisierungsoffensive des BiPRO e. V. präsentiert: Dank BiPRO-Standards soll die Abrechnung in der Industrieversicherung einfacher sein. Was zunächst wenig spannend klingt, hat in der Praxis eine hohe Bedeutung. Immerhin geht es um das Geld, das ein Industriemakler, Assekuradeur oder Versicherer verdient. Und nichts ist lästiger, als fehlende oder falsche Buchungen zu suchen. Aber hilft die BiPRO-Norm dabei? Wer hat sie schon umgesetzt? Und ist das Ergebnis wirklich so gut? Ein Fazit und ein Appell.
Markus Heussen ist Co-Erfinder der BiPRO und Gründer und Geschäftsführer der b-tix GmbH.
In der Industrieversicherung übernimmt ein Makler häufig die Policierung und Rechnungsstellung gegenüber seinen Kunden, die direkt an ihn zahlen. Über die so erhobenen Beiträge werden Abrechnungen (Borderos) erstellt und an die Versicherer übermittelt, wobei Provisions- und Schadenzahlungen in Abzug gebracht werden.
Der Versicherer empfängt diese Abrechnungen aus dem Maklerinkasso, überführt sie in das eigene Abrechnungssystem und gleicht sie mit Forderungen und Zahlungen ab. Stellt er noch nicht abgerechnete Beiträge fest, sendet er die offenen Posten in Form einer OP-Liste zurück an den Makler. So soll dieser prüfen und ein Mahnverfahren vermeiden können.
Im Personenversicherungsgeschäft erfolgt die Beitragszahlung oft nicht direkt an den Industriemakler, sondern an den Versicherer. In diesem Direktinkasso führt also der Versicherer das Inkasso der Beiträge zentral durch (Zentralinkasso) und erstellt eine Provisionsabrechnung, die er an seinen Makler übermittelt.
Welches Problem löst BiPRO?
Sowohl Vermittler- als auch Versichererabrechnungen sowie OP-Listen und Kontoauszüge bestehen aus Buchungszeilen, die Abrechnungsposten enthalten. Sie liegen meist in unterschiedlichen Formaten wie zum Beispiel als PDF-, CSV- und Excel-Datei vor. Die Verwaltungs- und Abrechnungssysteme von Vermittlern und Versicherern haben für den Austausch von Abrechnungsdaten eigene Export- und Import-Schnittstellen, die untereinander nicht kompatibel sind. Abrechnungsdaten müssen also erst umformatiert werden, bevor sie weiter verarbeitet werden können. Das ist ein Problem.
Aber nicht nur die Formate der Daten und Dateien sind unterschiedlich. So werden Abrechnungen auch auf unterschiedlichen Wegen übermittelt. Vom klassischen Postweg, über E-Mail bis hin zum Dateiaustausch per Transfer-Server oder Upload ist hier alles dabei. Lange Zeit gab es hierfür kein einheitliches Verfahren, wenngleich einige Versicherer inzwischen den Dateitransfer per BiPRO-Schnittstelle nach Norm 430.1 nutzen, die zumindest den Kommunikationsweg, nicht aber das Format der Daten vereinheitlicht.
In der Praxis kommt es darüber hinaus nicht selten zu Problemen, wenn Buchungen fehlerhaft sind, zum Beispiel weil der Beitrag zu niedrig oder die Provision zu hoch abgerechnet wurden. In solchen Fällen beginnt ein aufwändiger Klärungsprozess, der meist mehrere Mitarbeiter auf beiden Seiten involviert und per E-Mail oder Telefon abläuft. Das ist nicht nur nervig, sondern auch besonders ineffizient und teuer.
Die BiPRO-Norm 430.7 zur Optimierung des Abrechnungsverkehrs löst diese Probleme, indem sie ein Standardformat für Abrechnungsdaten festlegt und regelt, wie diese per Schnittstelle ausgetauscht werden können. Ein besonders wichtiger Teil der Norm ist der Klärungsprozess. Er sieht vor, dass man einen fehlerhaften Posten über seine eindeutige Nummer addressieren und die Art der nötigen Klärung angeben kann. Die Norm regelt auch, wie Mitarbeiter unternehmensübergreifend miteinander kommunizieren können, um eine Klärung herbeizuführen. Dadurch lässt sich ein menschlicher Klärungsprozess zwar nicht vermeiden, aber in Teilen automatisieren und effizienter gestalten, was zu Kosteneinsparungen führt.
Wer macht mit und wie gut ist das Ergebnis?
Die Digitalisierungsoffensive des BiPRO e. V. ist seit Mitte 2023 beendet. Zu diesem Zeitpunkt waren die Industriemakler und Assekuradeure Aon, deas, Ecclesia, GBH, Geerken + Partner, Martens & Prahl, Middelberg, One, Papyrus, Staun, Union, UNIT und VMD in der Lage, standardisierte Abrechnungsdaten per BiPRO-Schnittstelle an die Industrieversicherer Allianz, AXA, Gothaer, HDI, R+V, Sparkassen Versicherung und Versicherungskammer Bayern zu senden, die sie in ihre Abrechnungssysteme importieren. Fast alle Parteien nutzen den Prozess inzwischen produktiv, was überaus erfreulich ist!
Zu diesem Zeitpunkt konnten leider nur wenige Versicherer ihren Maklern OP-Listen per BiPRO bereitzustellen, vom Klärungsprozess ganz zu schweigen. Das ist schade, weil die Digitalisierungsoffensive bereits seit 2019 lief und es – trotz der zwischenzeitlich schwierigen Coronazeit – genügend Zeitraum für eine Umsetzung gegeben hat. Einige Versicherer haben sich während der Implementierung sogar umentschieden und nur den Hinweg der Abrechnungsdaten vom Makler in Richtung Versicherer umgesetzt. Den Rückweg der OP-Listen und vor allem den Klärungsprozess wollten sie plötzlich nicht mehr realisieren.
An dieser Stelle wird es dann auch wirklich ärgerlich: Natürlich hat ein inkassierender Makler auch vom Hinweg seiner Daten an den Versicherer einen Nutzen. So profitiert er von einem schnelleren und weniger fehleranfälligen Abrechnungsprozess. Und er profitiert auch von einem einheitlichen Format und Kommunikationsweg, wenn er OP-Listen und Abrechnungen aus dem Versichererinkasso leichter bei sich importieren kann. Das eigentliche und große Protenzial liegt aber in der Optimierung des Klärungsprozesses. Gerade die Klärung von falschen Buchungen ist mit einer manuellen Recherche und teuren Kommunikationsprozessen verbunden. Der Hinweg ermöglicht erst die Optimierung dieses Klärungsprozesses. Umso enttäuschter waren die Makler, dass nicht alle Versicherer die gesamte Prozessstrecke realisiert haben.
Wie kann man teilnehmen?
Vermittler, Assekuradeure und Versicherer benötigen ein BiPRO-fähiges Abrechnungssystem. Es muss in der Lage sein, die vorhandenen Abrechnungsdaten in ein BiPRO-Standardformat zu überführen und an die BiPRO-Schnittstellen der Geschäftspartner zu versenden bzw. von ihnen zu empfangen. Dabei müssen die Regeln der BiPRO-Norm und Digitalisierungsoffensive berücksichtigt werden. Zurzeit unterstützen nur wenige Maklerverwaltungsprogramme (MVP) die Norm, darunter bekannte Größen. Häufig beim Versicherer eingesetzte Systeme wie beispielsweise SAP unterstützen die Norm derzeit nicht.
Ist das Abrechnungssystem nicht BiPRO-fähig, sollte es über einen Export der Abrechnungsdaten verfügen. So können einige dieser Systeme ihre Daten zum Beispiel als CSV-Datei exportieren. Für Makler, die ihre Abrechnung in Excel verwalten, reicht auch dieses Format aus. Ein Übersetzungsprogramm muss jetzt die Abrechnungsdaten konvertieren, versenden oder empfangen und die BiPRO-Prozesse unterstützen.
Derzeit gibt es leider nur wenige solcher Übersetzer. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Vernetzungsplattform der b-tix GmbH. Sie wird auch von Industriemaklern wie Aon oder Ecclesia eingesetzt und lässt sich an beliebige Drittsysteme wie selbstentwickelte Verwaltungs- und Abrechnungssysteme oder MVPs andocken. Unterstützt werden auch ältere Norm-Implementierungen, die von einigen Versicherern bereits vor der Digitalisierungsoffensive angeboten wurden und die Norm teilweise anders ausgelegt haben – ein typisches Problem der meist (zu) mächtigen BiPRO-Normen. Neben der Übermittlung von Abrechnungsdaten unterstützt die Plattform auch den Klärungsprozess und kann auch von Erst- und Rückversicherern im Führungs- und Beteilitungsgeschäft eingesetzt werden.
Fazit und Appell
Das Beispiel der Abrechnung zeigt, dass sich eine Norm nicht automatisch verbreitet, nur weil es
sie gibt. Die Norm zur Optimierung des Abrechnungsverkehrs entstand nämlich bereits vor rund
zehn Jahren. Aber erst mit dem Start der Digitalisierungsoffensive 2019 kam es zum
entscheidenden Durchbruch. Fast vier Jahre später wird sie im Bereich des Makler- und
Versichererinkassos endlich angewendet, aber eben nicht vollständig.
Digitalisierungsoffensiven werden von BiPRO initiiert, um die Verbreitung der Norm zu fördern.
Hierbei verpflichten sich Vereinsmitglieder per Absichtserklärung, eine Norm in einem bestimmten
Umfang und Zeitraum auch wirklich umzusetzen. Dieses Mittel funktioniert grundsätzlich gut.
Gerade zu Beginn gab es auch im Bereich der Optimierung des Abrechnungsverkehrs viel
Engagement. Doch leider ist eine Absichtserklärung kein Vertrag und deshalb auch nicht juristisch
bindend. So kann es passieren, dass das Engagement im Zuge der Zeit nachlässt und man das
gesteckte Ziel am Ende verfehlt.
Auch das Ergebnis der Digitalisierungsoffensive Abrechnungsverkehr fiel daher nicht so gut aus
wie anfänglich gewünscht. Denn einer der ineffizientesten Prozesse im Zusammenhang mit der
Abrechnung, der Klärungsprozess, wurde weitgehend ausgeklammert. Man sieht: Auch eine
Digitalisierungsoffensive kann eben nur appellieren. Und der Appell ist bekanntlich die schwächste
Form der Beeinflussung:
Liebe Versicherer, jetzt ist es an Euch! Bitte knüpft an den sehenswerten Teilerfolg der
Digitalisierungsoffensive an und macht konsequent weiter: Setzt auch den Klärungsprozess
vollständig um! Nur so könnt Ihr und Eure Vertriebspartner die eigentlichen Potenziale der Norm
realisieren.
Markus Heussen ist Co-Erfinder der BiPRO und Gründer und Geschäftsführer der b-tix GmbH. Das
Düsseldorfer Unternehmen unterstützt Makler, Assekuradeure und Versicherer bei der digitalen
Vernetzung insbesondere auf Basis von Bipro. In der Kolumne „The Long View“ lädt das Fachmagazin Versicherungsmonitor Branchenexperten ein, über Hintergründe zur Lage der Branche zu schreiben.
