Die Digitalisierung des Versicherungsvertriebs schreitet voran, aber nicht linear, nicht flächendeckend, und schon gar nicht einheitlich. Sie ist geprägt von Vielfalt, Fragmentierung und unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Wer sie erfolgreich gestalten will, braucht mehr als Technik. Er braucht eine Strategie, Zielgruppensensibilität und modulare Lösungsansätze.
Das ist zweifelsohne eine Mammutaufgabe. Unterschiedlichste Zielgruppen, Vertriebswege und Systemlandschaften müssen berücksichtigt, integriert und orchestriert werden. Heterogene IT-Landschaften sind uns allen ein Begriff.
„Haben wir dafür eine Schnittstelle?“, fragt der Business Analyst. „Ja, aber…“, antwortet der Entwickler. Und so fließen Jahr für Jahr hohe Aufwände in die manuelle Bearbeitung von Standardvorgängen. Beim Anblick des als „digital“ beworbenen Schadenmeldeformulars auf der Webseite seines Versicherers weiß man als leidgeprüfter Digitalisierungsexperte sofort: Daraus wird gleich eine E-Mail generiert, die dann hoffentlich bald von jemandem ins Schadensystem überführt wird.
Wir möchten hier keineswegs für die Digitalisierung als solche werben. Das Bewusstsein dafür ist längst in der Branche angekommen. Die richtige Herangehensweise an eine gesamtheitliche Digitalisierungsstrategie jedoch nicht immer.
Dieser Aufgabe lässt sich begegnen – mit einem durchdachten Vorgehen in ineinandergreifenden Teilprojekten statt Insellösungen, klarer Zielbildorientierung und technologischer Modularität. BiPRO-Services bieten dabei eine (je nach Kontext sogar bewährte) Grundlage, um unternehmensübergreifende Prozesse interoperabel zu gestalten und echte Vernetzung zu ermöglichen.
Vertriebsdigitalisierung ist kein Sprint
Während sich Makler lange im Wettbewerb mit Kolleginnen und Kollegen oder der Ausschließlichkeit sahen, hat sich das Bedrohungsbild verschoben. Laut einer aktuellen AssCompact-Studie sorgen sich Makler heute vor allem um den Bedeutungsgewinn digitaler Vertriebswege, von Embedded Insurance über große Plattformanbieter bis hin zu vollautomatisierten Online-Abschlussstrecken. Die Maklerschaft begegnet dieser Entwicklung mit dem, was sie am besten kann: persönlicher Beratung und kundennaher Betreuung. Doch dieser Anspruch allein reicht nicht mehr aus. Er muss digital gestützt und prozessual abgesichert sein.
Für Versicherer ergibt sich daraus eine klare Aufgabe. Sie müssen ihren Vertriebspartnern Tools an die Hand geben, mit denen sich diese nicht nur behaupten, sondern differenzieren können. Digitale Services sind keine Bedrohung sondern vielmehr die Voraussetzung dafür, dass persönliche Beratung in einer digitalen Welt überhaupt stattfinden kann. Und zwar dort, wo der Makler tätig ist: in seiner gewohnten Infrastruktur und in seinem Workflow.
Zielgruppendenken als Schlüssel
Unterschiedliche Zielgruppen haben unterschiedliche Erwartungen an Prozesse, Anbindung und Benutzerführung. Wer pauschale Lösungen bietet, wird entweder überfordern oder unterliefern. Der Münchener Verein hat das erkannt. Er betreibt bereits seit vielen Jahren erfolgreich TAA-Services und parallel einen webbasierten Tarifrechner, welcher für Makler und Ausschließlichkeit als Frontend für ebendiese Services dient – und führt damit laut einer Umfrage des Versicherungsjournals die Rangliste der Maklerzufriedenheit an. Er bietet Services, die exakt auf die Erwartungshaltung seiner Vertriebspartner zugeschnitten sind und die individuellen Anforderungen unterschiedlicher Zielgruppen berücksichtigen.
Die Vergangenheit war technikzentriert: Systeme wurden gebaut, Prozesse definiert, und dann wurde erwartet, dass der Anwender sich anpasst. Die Gegenwart verlangt das Gegenteil. So ergänzen beispielsweise die Verti und die Uelzener den eigenen BiPRO-Service nach Norm 430 um eine Postkorblösung, eingebettet in ein Vertriebspartnerportal. Dazu nutzen sie den BiPRO-Client der b-OX LD von b-tix in Verbindung mit der mitgelieferten GUI. Das Ergebnis: Durch den Einsatz von BiPRO-Services, insbesondere auch für Auskünfte und Änderungen, im Tandem mit Standardkomponenten werden Mehraufwände vermieden. Gleichzeitig können sie so gezielt Anwender erreichen, die keine native BiPRO-Anbindung unterstützen. Konsequente Zielgruppenorientierung.
Divide et impera
Ein oft unterschätzter Aspekt ist die Heterogenität der eigenen Systemlandschaft. Unterschiedliche Vertriebswege, Produktlinien, Bestandsführungen – oft gewachsen, selten konsolidiert. Wer hier punktuelle Lösungen baut, läuft Gefahr, neue Silos zu schaffen. Der Schlüssel liegt in wiederverwendbaren Services. So werden sich Multichannel-Fähigkeiten möglich, die funktionieren und sich weiterentwickeln lassen.
Digitalisierung ist keine Sammlung von IT-Projekten, sondern ein strategischer Weg. Es braucht Roadmaps, die entlang eines Zielbildes einzelne Projekte wie Zahnräder ineinandergreifen lassen. Nicht alles auf einmal, aber alles mit System. BiPRO-Normen spielen dabei eine zentrale Rolle – aber nicht als Selbstzweck, sondern als Enabler. Sie schaffen die Grundlage für Interoperabilität, für automatisierte Prozesse und für Anschlussfähigkeit an andere Systeme.
Wer ohne ein übergreifendes Zielbild und eine strukturierte Umsetzungsstrategie agiert produziert einen Flickenteppich: punktuelle Insellösungen und technische Sonderlocken. In der Summe ergibt das ein System, das weder nachhaltig betreibbar noch erweiterbar ist.
Stattdessen braucht es einen methodischen Zugang. Divide et impera – teile die Komplexität in steuerbare Einheiten, aber verliere das Gesamtbild nie aus den Augen. Die Kunst liegt darin, einzelne Projekte als Teil einer zielgerichteten Sequenz zu denken, nicht als voneinander unabhängige Maßnahmen.
Ein zentrales Prinzip dabei: Funktionale Modularität. Nicht der BiPRO-Service selbst ist die Funktion, sondern die betriebswirtschaftliche Logik, die er kapselt. Wer seine Infrastruktur so modularisiert, dass diese Funktionen (z. B. Adressänderung, Schadenauskunft, Antragstellung) unabhängig vom Kanal nutzbar sind, ermöglicht zielgruppenspezifische Zugangspunkte – gemäß dem Leitgedanken „Der Service kommt zum Nutzer, nicht umgekehrt“.
Architekturentscheidung mit Weitblick
Solche Konzepte gelingen nicht mit einer klassischen Backend-zentrierten IT. Gefragt sind Plattformlösungen, die Offenheit, Skalierbarkeit und Interoperabilität verbinden. Die bewusste Entscheidung für eine Plattform wie die b-OX LD ist deshalb keine Toolwahl, sondern eine strategische Entscheidung für
- native Unterstützung sämtlicher BiPRO-Normen
- state-of-the-art APIs, etwa auf Basis von JSON-LD
- moderne Benutzeroberflächen im B2B- und B2C-Kontext.
Wer standardisierte Schnittstellen einsetzt reduziert Anbindungskosten. Doch BiPRO allein ist kein Heilsbringer. Es sind die grundlegenden Entscheidungen über Architektur, Modularisierung und Nutzungsszenarien, die über Erfolg oder Stillstand entscheiden. Die Norm ist das Mittel – der Businessnutzen das Ziel.
Die Baloise setzt seit Jahren auf BiPRO-Standards, insbesondere im Neugeschäft. Im Rahmen einer umfassenden Modernisierung der internen Infrastruktur hat der Versicherer zusammen mit b-tix einen BiPRO-basierten Tarifrechner entwickelt, der regelmäßig die Vertriebspartner begeistert. Makler können über gesicherte Links direkt aus ihrem CRM in den Rechner einspringen und dabei Kunden-, Adress- und Bankdaten direkt übergeben. Mit nur wenigen Klicks erhält der Anwender einen ersten Beitrag für das ausgewählte Produkt, bevor er intuitiv durch die Erfassung von zusätzlichen Produktbausteinen geführt wird, wobei gezielte Up- und Cross-Selling-Anreize gesetzt werden.
Ein einziger Service-Stack bedient so zwei Vertriebskanäle mit unterschiedlichen Nutzeranforderungen. Die zentrale Bereitstellung von Authentifizierung, Validierung und Rechenkern spart Entwicklungs- und Wartungskosten und macht die Lösung skalierbar für künftige Erweiterungen.
Die Manufaktur Augsburg geht noch einen Schritt weiter: Sie bedient mithilfe der b-OX LD Plattform über TAA-Services die relevantesten Vergleicher, holt weitere Vertriebspartner über einen BiPRO-fähigen Tarifrechner ab und integriert auf die gleiche Art und Weise sogar Endkunden. Durch die Wiederverwendung des Rechenkerns in allen Kanälen werden Funktionalität und Performance konsistent bereitgestellt – mit minimalem zusätzlichem Entwicklungsaufwand. Auch fachliche Änderungen lassen sich kanalübergreifend ausrollen, ohne Redundanzen.
Je nach Zielgruppe aktiviert der mobilefähige Tarifrechner unterschiedliche Module. Im B2B-Kontext enthält er z. B. Felder zur Erfassung der Vermittlernummer, während Endkunden als fachfremde Zielgruppe mit zusätzlichen Erläuterungen und Hilfetexten durch den Prozess geführt werden.

Warum das wichtig ist zeigt eine aktuelle Deloitte-Studie: Je nach Sparte würden 39% – 48% der 1.000 Befragten ein Versicherungsprodukt am liebsten online abschließen, äußern jedoch Kritik an einer unübersichtlichen Preisgestaltung (29% Zustimmung) oder mangelhaften und unklaren Informationen (24%). Schwierigkeiten hingegen gibt es beim Verständnis der Versicherungsprodukte (21%) oder beim Vergleich verschiedener Angebote (19%).
Die Digitalisierung des Vertriebs ist eine Mammutaufgabe. Die vorgestellten Beispiele zeigen: Mit klaren Zielbildern und funktionaler Modularität entsteht kein Flickenteppich, sondern eine belastbare, skalierbare Architektur, die Vertriebspartner gezielt abholt. BiPRO ist dabei ein wichtiger Baustein – aber kein Dogma. Es sind nicht allein die Normen, die Prozesse verbessern, sondern ihr intelligenter Einsatz im richtigen Kontext, in Kombination mit modernen Benutzeroberflächen.
Die Herausforderung der ganzheitlichen digitalen Vertriebsunterstützung bleibt. Aber sie lässt sich in Teilaufgaben zerlegen, strukturieren und gestalten. Divide et impera – mit der richtigen Strategie, dem richtigen Partner und den richtigen Tools.
Ihr Ansprechpartner
Pascal Popp verantwortet bei der b-tix GmbH als Mitglied der Geschäftsleitung den Bereich Sales & Solutions und ist zentraler Ansprechpartner für alle Themen rund um unsere b-OX LD.
